Mittwoch, 23. Juli 2014
Dienstag, 22.07.3024: Kehrum - Groenlo (NL)
Start bei km 229

Nach einer ruhigen, nur von ein paar Mücken unterbrochenen Nacht gibt es ein sehr ordentliches Frühstücksbuffet. Und es gibt wieder Sonne. Ich spare mir jetzt die weitere Wetterbeschreibung. Wer mag, kann sich nach jedem Absatz ja den Satz "Die Sonne scheint immer noch" dazu denken.

Es geht auf nach Kalkar - Kernwasser Wunderland: das ist das Gelände des ehemaligen Schnellen Brüters, jetzt ein Freizeitpark und Kongress-/Tagungszentrum. Ein richtig großes Gelände mit vielen gr0ßen Gebäuden und einem auf vielleicht ein Drittel seiner Höhe gekappten Kühlturm, über dem gelegentlich ein Kettenkarussel kreiselt.

Der grüne Rasen vor dem Freizeitpark ist grüner Kunstrasen. Und auch der Rest sieht sehr künstlich aus. Der niederländische Investor hat rund 2,5 Mio. Euro bezahlt, das Land musste keine Bauunterhaltungskosten mehr zahlen und hatte darüber hinaus rund 3,5 Mrd. Euro (Milliarden!) an Investitionskosten in den Sand gesetzt. Immerhin gibt die Anlage sicherlich einer ganzen Reihe von Leuten Arbeit und Brot.
Einheimischer Empfehlung folgend, doch lieber die eigentliche Stadt Kalkar zu besuchen, komme ich in eine wirklich ansehnliche Kleinstadt. Auf dem zentralen Platz versammeln sich gerade die ersten Aussteller für die Kirmes am kommenden Wochenende. Wirklich sehenswert hingegen ist die zentrale Kirche: Sie birgt eine Reihe von wunderschönen Altären so aus ca. 1450 bis 1550. Danach fehlte der Stadt jegliches Geld, weder für die Kirchenausstattung noch für sonst was. Erst die Milliarden für den Schnellen Brüter brachten wieder Leben...

Weiter gehts nach Kleve. Außer einer Mittagspause, einigen Schwänen und Schwanskulpturen habe ich aber von Kleve nur eine typische 80er-Jahre Fußgängerzone gesehen.

Eindrucksvoller ist dann schon die Rheinbrücke nach Emmerich.



Emmerich selbst ist dann wieder ein typisches Durchschnittsstädtchen, nach verheerenen Bombenangriffen ohne viel Sinn für Ästhetik wieder aufgebaut. Immerhin gibt es in der Fußgängerzone ein C&A. Sie haben das, was ich brauche: neue Shorts. Die alten hat es nach 2 Sonnentagen und einem Tag Dauerregen zerfetzt.

Bis Emmerich bin ich dem Rheinradweg gefolgt. Ab hier beginnt der Track, den ich mir zuhause zusammengestrickt habe, um bis nach Vreden und weiter dann nach Münster zu kommen.

Exkurs "Was ist ein Track"
Die meisten Navis lotsen einen von Kreuzungspunkt zu Kreuzungspunkt bis zum Ziel. So etwas nennt Garmin dann eine "Route". Alternativ kann man aber auch statt einer Route einem Track folgen. Das ist einfach eine Spur. Das Navi zeigt den eigenen Standort und die Spur. Idealerweise liegt der Punkt für den eigenen Standort auf der Spur. Zeichnet das Navi den eigenen Standort neben den Track, ist man falsch gefahren.
Exkurs-Ende.

Der Track führt mich also mit dem Zwischenziel "Zwillbrocker Venn" bis nach Münster, wenn ich nur der Spur folge. Interessant wird es ziemlich direkt hinter Emmerich. Da läuft die Spur durch Holland, genauer durch Gelderland. Und die Bearbeiter von OpenStreetMap (bzw. OpenCycleMap) haben bei dem Thema "Deutschlandkarte" gut aufgepasst; 200 m hinter der Grenze hört die elektronische Karte auf. Immerhin ist mein Backup - der ADAC-Reiseatlas da etwas großzügiger und gibt mir die nötigsten Infos. Bloß muss ich dafür anhalten, den Reiseatlas rauskramen, gucken, den Reiseatlas wegpacken und weiterfahren. Läääästig.


Dafür bauen die Holländer traumhaft schöne Radwege. (Wie das in Deutschland auf dem Weg nach Klefe aussah, könnte man hier sehen....) Es geht über Doetinchen und Zelhem immer durch die Felder, Wiesen und Auen. In Marienvelde habe ich keine Lust mehr, weil schon gut 80 km auf dem Tageskilometerzähler. Zeit also für eine Unterkunft. Das gute Bett-and-Bike-Buch schweigt dummerweise abeer sich über Gelderland aus. So muss ich mich durchfragen. In Marienvelde ist DAS Ferienappartment leider gerade durch den Sohn des Besitzers belegt. Aber der besitzer empfiehlt mir das "witte Paard" nur 4 km weiter direkt an der Kirche, ein "kleines Hotel, nicht teuer". Tatsächlich: 4 km weiter kommt ein Ort (Zieuvent), es gibt eine Kirche, und daneben ist das Hotel. Und das Hotel ist geschlossen. Also weiter in den nächsten größeren Ort auf dem Track. Das ist Groenlo.

In Groenlo empfiehlt ein Einheimischer mir das Hotel "Pot" ("klein und billig, aber ganz in Ordnung"). Ohne Karte muss ich etwas herumfragen, bis ich den Pot gefunden habe. Ein Holländer auf dem Fahrrad lotst mich bis vor die Tür. Es geht so langsam auf 8 Uhr abends zu. Und diesmal hat das Hotel geöffnet, es hat Platz, es ist klein, und ob 52,50 € für eine Übernachtung mit Frühstück billig ist, kommt wohl auf die Perspektive an. Die Nacht vorher war bei einer verlgeichsweisen Luxusklasse mit 67 € natürlich teurer ...

Abends trinke ich auf dem Markt von Groenlo noch ein Grolsch...

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Montag, 21. Juli 2014
Montag, 21.07.2014 Rheinberg-Kalkar-Kehrum
Start bei 189 km

Schon morgens regnet es konstant.

Nur mal nebenbei: es gibt so ziemlich das mieseste Frühstücksbuffet aller Zeiten: Aufbackbrötchen, trockene Brotscheiben, alt aussehendes Obst. Und ob selbstgebieizter Lachs so aussehen muss? Ich habe ihn jedenfalls nicht probiert, sondern mich an Altbewährtes gehalten: Nutella-Portionspäckchen sind überall ok.

Gegen halb zehn macht es Pause beim Regnen- los geht es also.

Vorbildlich beschildert führt der Rheinradweg durch Felder und Wiesen, mal hinter dem Deich, mal oben auf dem Deich.

Leider bleibt es grau und nass. Krähen und Dohlen sammeln sich in erstaunlich großer Zahl. Richtig glücklich macht mich das nicht. Das muss aber nicht an der Hitchcock-Assoziation liegen, sondern hat vielleicht auch was mit dem Wetter zu tun. Habe ich schon erwähnt, dass es regnet?

Immerhin ist es nach den beiden extrem heißen Tagen angenehm kühl (aber nicht zu kalt). Dummerweise aber ist es auch ziemlich nass, und inzwischen kommt mäßger Wind von vorn, während der Heißluft-Fön der letzten Tage meist von Süden (hinten) kam...

Als ich erfahre, dass eine ziemlich ordentliche Gaststätte direkt am Rheinradweg sich erst in eineinhalb Stunden, d.h. gegen zwölf Uhr, in der Lage sehen werde, einen Kaffee zu servieren, gefriert selbst das Fotolächeln auf dem Selfie.

Bei Wesel gibt es etwas, das ich eigentlich nur von meiner Neiße-Oder-Tour 2009 kenne: Eine Brücken-Ruine, diesmal bloß über den Rhein.

Der Büdericher Heimatverein (vielleicht heißt der auch anders) hat schlaue Schilder aufgestellt. Und so weiß ich jetzt, dass das, was ich sehe, die Reste der ehemals größten Eisenbahnbrücke Europas sind. Sie ist in den letzten Tagen des 2. Weltkriegs gesprengt und nie wieder aufgebaut worden.
Dafür gibt es wenige hundert Meter südlich eine (neue) Autostraßenbrücke.

Weiter gehts, denn Kaffee gibt es dann eben erst in Xanten.

Schon bald sieht man die Türme des Victor-Doms in der Ferne. Eigentlich hatte ich den Dom mit dem Heiligen "Norbert von Xanten" verbunden. Doch in den heiligen Katakomben des Doms gibt es viele Märtyrer, aber keinen Hinweis auf den Norbert. Wikipedia schließlich hilft; Norbert kam zwar aus Xanten, war dann aber nach ein paar Jahren Klosterherrlichkeit nie wieder in Xanten. Victor hingegen war römischer Soldat, der sich lieber hinrichten ließ als seinem Glauben abzuschwören. Die Heilige Helena hat auf dem Xantener Gräberfeld angeblich seinen Korpus ausgebuddelt.

Exkurs:
Erstaunlich, was die Dame alles an heiligen Hinterlassenschaften zusammengetragen hat: die heilige Stiege in Rom, den heiligen Rock in Tier, die heiligen (?) Sandalen in Prüm... Die in dem Schrein hinterlassenen Knochen stammen tatsächlich aus ca. 350 n. Chr.
Exkurs-Ende

Falls ich es nicht erwähnt habe. auch in Xanten regnet es, aber der Dom ist dicht und hält trocken.


Nach einer Gulaschsuppe, zwei Pils, einem Kaiserschmarrn sowie einem (guten) Espresso geht es weiter, natürich im Regen,


Nächstes Ziel ist der Archäologischen Park Xanten (APX). Der Landschaftsverband Rheinland (LVR) liebt Abkürzungen und schreibt daher mmer "CUT" (Colonia Ulpia Traiana"), wenn er das römische Xanten meint.

Exkurs:
Meine Kamera hat "aps" (Sensorformat), ich aber keinen Cut (Cutaway = förmlicher Anzug) dabei ... Wollte ich nur mal gesagt haben.
Exkurs-Ende

Den Archäologischen Park habe ich zu Schulzeiten, also vor ca. 45 Jahren zuletzt gesehen: Amphitheater, Tempel, Römermuseum auf den Trümmern einer römischen Badeanstalt, dazu mit Bäumen und Hecken markierte Straßen und Stadtmauern.
Man läuft eine schöne lange Strecke, wenn man "alles" sehen will. Die Grabinschriften von Menschen, die seit bald 2000 Jahren tot sind, beeindrucken mich.

"Sit Terra Tibi Levis" oder "STTL" ist meine Lieblingsinschrift. Schon die römischen Steinmetze liebten die Abkürzungen.

Auch das Römer-Museum ist eindrucksvoll, schon allein, weil es hier trocken ist.

Es regnet immer noch/wieder. Eigentlich mag ich nicht mehr fahren. Aber die Jugendherberge Xanten ist voll, und das motiviert mich dann doch, Xanten zu verlassen. Erst regnet noch, dann hört es auf. Dann hört aber auch meine Motivation auf.

Bei Kalkar in einem Ortsteil namens "Kehrum" (nomen est omen?) besorge ich mir daher ein "Bett-and-bike"-Hotel mit Wellness-Ambiente, das Landhaus Beckmann. Leider ist nur noch superior-Class verfügbar, aber ich kriege nach etwas Jammern wegen der Abweichung vom Bett-and-bike-Preis einen dezenten Rabatt...

Außer einer Super-duper-Dusche habe ich aber noch nichts vom Wellnessbereich gesehen - eine Preistafel hat meine Neugier ziemlich erfolgreich verkümmern lassen.

Notabene:
Regentage unterscheiden sich von Hitzetagen auch bei der Dusche danach:
- Hitzetage: Dusche so kühl wie eben noch erträglich
- Regentage: Dusche so warm wie eben noch erträglich...

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Sonntag, 20. Juli 2014
Sonntag, 20.07.2014: D.-Oberkassel - Rheinberg
Start bei 118 km

Nach 24 Uhr schweigt das Wummern der Bässe auf der Kirmes, eine Stunde später ist auch kein Geschnatter des Kirmesvolks zu hören. Nur die Jungs und Mädels aus der Jugendherberge genießen bis 5 Uhr morgens die sommerliche Nacht.

Nach einem sehr ordentliche Frühstücksbuffet in einer schönen Cafeteria geht es gegen 9 Uhr weiter rheinabwärts. Und da sieht man die volle Wucht des Sturms von Pfingstmontag. Kaum ein Baum ist unversehrt.

Und es ist auch egal, ob es Pappel, Eiche oder Erle ist. Nur die Blutbuchen scheinen oft verschont worden zu sein.

Etwa 10 km hinter Düsseldorf ist der grausige Spuk aber vorbei. Nur noch ganz selten sieht man abgerissene Äste, umgefallene Bäume gibt es gar nicht mehr. Und alle Bäume haben noch volles Laub.


Bald rückt aber die Industrie und der Handel an den Rhein und den Rheinweg heran. Erstaunlich schöne alte Backsteinbauten, aber auch gefühlt Kilometer-lange Hallen der Logistik-Branche.


Nicht nur wegen der Industrie, sondern auch wegen der vielen Kanäle, Häfen, Rheinbuchten verlässt der Radweg immer öfter den Deich. Uerdingen entpuppt sich dabei als ansehnliche Innenstadt.

Dieses "Rathaus" am zentralen Platz trägt von links nach rechts drei Funktionsbezeichnungen: "Rathaus", "Apotheke" und rechts, verdeckt durch die Bäume, "Bücherei". Apotheken hatten also auch früher schon eine zentrale Bedeutung.

In Hohenbudberg dann steht am Rhein mit viel Platz drum herum eine Kirche mit einer schönen Idee zum Gedenken an Kriegstote:


Danach bietet sich ein Leinpfad zur Weiterfahrt an. Mal dicht am Wasser, mal auf alten Deichen, meist überwachsen oder nur mit grobem Kies geschottert ist so ein Weg das absolute Aus für Rennräder. Allerdings führt er gern auch auf einsame Landzungen, wenn ein Kanal in den Rhein einbiegt. Dann kann man nur noch umdrehen.


Aber die schöne Natur ist das Risiko wert.

Irgendwann bin ich das Risiko aber leid und biege wieder auf den offiziellen Rheinradweg ab.

Duisburg "winkt" von der anderen Rheinseite, und die Ruhr mündet auch dort.


Die Landschaft zeigt hier immer wieder Industrie, aber auch jede Menge Grün. Eigentlich überwiegt das Grün.

Ähnlich wie am Donauradweg gibt es hier auch am Rheinradweg alte und neue Beschilderung, mal direkt am Rhein entlang führend, manchmal auch von Gaststätte zu Gaststätte. Nur nervt das hier weniger als in Bayern, weil es einfach nur noch flach ist.

Für 15 km begleitet mich ein Sonntagsfahrer aus Dinslaken, der eine Tour über die zwei nächstliegenden Brücken macht. Wir kommen ins Gespräch - die Fahne ist ja oft Auslöser für interessante Wortwechsel. Wir quatschen so vor uns hin und haben ziemlich bald den Rheinradweg verlassen, offenbar einen Wegweiser übersehen. In Orsay mache ich eine neue Planung,
Der Dinslaker fährt weiter.

Denn am Horizont drräut eine Gewitterfront. Als es in Rheinberg andauernd vor sich hin donnert, greife ich zum "bett-and-bike"-Buch und suche mir eine Unterkunft im Ort.

Xanten muss bis morgen warten, statt dessen soll es hier eine gute Pizzeria um die Ecke geben...


Abends beim Gang durch das Städtchen eine seltsame Entdeckung: das Stammhaus von Underberg gibt sich hochherrschaftlich...

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